24.02.2011
Seit mehr als 39 Jahren war die junge Frau nun unterwegs, unterwegs auf dem Weg mit sich und zu sich selbst! Sie war über Wiesen gerannt, durch Täler gewandert, hatten Hügel und Berge überwunden und hohe Klippen erklommen und war hin und wieder beim Klettern abgerutscht und unsanft gelandet. Manchmal war sie abgestürzt, ohne Halt zu finden immer weiter hinab in einen Strudel gerissen, der ihr tiefstes Dunkel offenbarte. Über all die Jahre hatte sie variable Strategien entwickelt, wie sie sich in verschiedenen Situationen ihres Lebens bewegen musste. Zu oft hatte sie dabei ihre Maske übergestülpt, die unter Umständen hilfreich war, besonders bei DENEN, die nicht ihr wahres ICH sehen sollten. Sie schämte sich dafür, dass ihr manchmal der Lebenswille entglitt und sie weder Mut noch Kraft verspürte, diesen steinigen Weg weiterzugeh`n, sich einfach nur noch nach Ruhe sehnte und im Inneren Stille herbei sehnte. Sie hatte Phasen, in denen sie vor Energie zu sprühen schien, zu schweben glaubte vor Kreativität und fliegend in ihrer schillernden Phantasie. Vor allem in ihrer Arbeit mit den Kindern ging es ihr oft so. In ihrem Streben, perfekt zu sein, immer alles richtig und um Gottes Willen nix falsch zu machen, stand ihr Körper ihr immer wieder im Weg und bremste sie mit Krankheiten und Verletzungen aus. Oh, wie sie es hasste, genau diesen nicht kontrollieren zu können. Denn Kontrolle beherrschte ihr Leben. Sie plante, organisierte, managte, führte aus und durch…das konnte sie…und doch swar da immer dieser unbändige Wunsch, endlich mal loslassen zu können. Frei zu sein, sich davontragen zu lassen, wie das Schirmchen einer Pusteblume leicht und ohne Ziel, den Kopf gelöst und glücklich. Sie hatte ihr Heim zu einer gemütlichen Oase gestaltet, einem sicheren Raum. Die vielen kleinen Details in den Räumen spiegelten ihr Sehnen nach Ankommen, Dasein, Liebe und Wohlfühlen. Hier gelang es ihr häufig, Abstand zur Außenwelt zu bekommen und zeitweise bei sich zu sein. In letzter Zeit allerdings fand sie kaum noch Ruhe. Von innerlicher Hast und Unruhe getrieben, ständig am Vibrieren und Grübeln, empfand sie sich als Last für ihr Umfeld. Es war nicht das erste Mal, dass sie den Halt unter ihren Füßen verlor, doch irgendwie war es diesmal anders. Sie wollte so vieles verändern in ihrem Leben, was ihr einerseits Auftrieb gab, sie aber auch hemmte, denn Veränderung gehen mit Anstrengung einher, was sie nicht scheute, ihr aber Angst machte. Denn manchmal brachen alte Wunden voller Wucht auf und alles quoll förmlich hervor. All das anzusehen, auszuhalten, aufzuarbeiten brauchte Kraft und Energie, die sie gerade nicht in sich spüren konnte. Sie beschloss, sich dafür die Zeit zu geben, die es benötigte, doch da war es wieder das fordernde Drängen in ihr, dass sie voranpeitschte, ohne sich bremsen zu lassen. Seit Jahren versuchte ihr Herz, etwas von dem zurück zu bekommen, was es zu geben vermochte. Gab es nicht irgendwo dieses andere Herz, welches sich mit dem ihren vereinigen mochte? Zu oft flüchtete sie in dieser Zeit in ihren Gedanken hinweg aus ihrem alten Leben, welches ihr die Fähigkeit nahm, frei zu atmen und sie manchmal regelrecht zu lähmen schien. Ihr war bewusst, dass sie in ihrem Leben schon Einiges überstanden hatte und sicherlich auch daran gewachsen und erstarkt war. Leider sah sie in ihren traurigen Momenten immer nur die Schatten und ließ sich allzuleicht in den Abgrund ziehen. Die Diagnose “deppressive Phase” half ihr dabei nicht wirklich weiter. Im letzten Sommer war es ihr endlich gelungen, sich von einem Teil ihrer Fesseln zu befreien und damit einen bedeutsamen Schritt in Richtung neues Leben zu beschreiten. Gemeinsam mit ihrem 7-jährigen Sohn bezog sie ihr neues Heim und richtete sich dort liebevoll ein. Sie baute und gestaltete dem Sohnemann ein Reich seiner Träume und steckte sehr viel Energie, Enthusiasmus und Kraft in diesen Neubeginn. Den Tag über powerte sie auf Arbeit, am Abend rutschte sie auf der Couch in sich zusammen und fühlte sich oft von Einsamkeit gegeiselt. Wie sehr sehnte sie sich nach ein paar Armen, die sie hielten, ihr Wärme und Geborgenheit schenkten. Hatte sie es verdient, glücklich zu sein? Gab es soetwas wie Übersinnliches, etwas, was uns führt oder lenkt? Denn es erschien ein Mann in ihrem Leben…der offenbar Engel und Teufel in sich vereint hatte. Sie spürte Beides und es war ihr manchmal unbehaglich zumute, doch ihre Neugier war größer und sie ließ sich auf ihn ein. War es Schicksal, dass er ihr begegnete? Sie genoss es, zu lachen und herumzublödeln. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass sie Nähe und Vertrautheit gespürt hatte. Wenn sie früher bei Komplimenten und lieben Worten, die ihr schmeicheln sollten, häufig zurückgeschreckt war, gelang es ihr jetzt öfter, es zu glauben. Doch es gelang ihr nicht wirklich, ihr altes beklemmendes Korsett abzulegen. Es schien mittlerweile förmlich mit ihrer Haut verschmolzen zu sein. Manchmal verfluchte sie ihre Vergangenheit, weil sie ihr Empfinden in der Gegenwart beherrschte und sie zu dirigieren schien. Ihr Wunsch war, ihr altes Denken und Tun zu verabschieden und nicht mehr ihr wahres Ich zu verleugnen. Sie musste sich selbst finden! Nur wie? Wer war sie überhaupt? War sie sonst ausschließlich in schwarz gekleidet, trug sie jetzt auch mal hellere Farben. Ihr wurde klar, dass sie immer in einer “Hab-acht-Stellung” agierte und sich aus Angst vor Streit verbog. Sie stritten immer häufiger, dann ging er und ließ sie allein zurück. Die Emotionen überschwemmten sie förmlich und schlugen krachend über ihr zusammen. Es war, als würde sie das Gute kaum aushalten können. Dabei war er nur ein Spiegel ihres alten Ichs, ein Zeichen, dass sie sich endlich befreien durfte aus ihren bösen Gedanken gegen sich selbst, hin zur Selbstbestimmung und innerem Frieden.